ADAC Einsatzfahrzeuge-Training
Die Einsatzfahrzeuge-Fahrsicherheitstrainings sind speziell für Fahrer von Einsatzfahrzeugen konzipiert, die oft unter enormem Stress stehen und mit Gefahrensituationen konfrontiert werden, die der normale Autofahrer kaum kennt.
„Ölstand?“ – Klar, hat er. „Auch nachgeschaut?“ – Hhm. – „…und Lenken – eine Hand, zwei Hände…?“ Hhm, „..meistens…“ – „Meistens“ reicht Svetlana „Beba“ Gronau und Wolfgang „Wolle“ Lange aber nicht. Sie wollen es genau wissen, auch wo das Warndreieck liegt, ob immer der Rückspiegel eingestellt wird, ob die Reifen okay sind und ob stets zwei Hände am Lenker sind, „am besten auf 9 und auf 15 Uhr“, erklärt uns die Instruktorin auf dem Übungsgelände des ADAC in Gründau. Ein Abenteuerspielplatz für große Jungs. Und große Mädels. Der eine oder andere hat einen „Schleuderkurs“ sicher schon mal mit dem Pkw gemacht. Aber mit ausgewachsenen Rettungstransportwagen? Auch das geht und macht, abgesehen vom Erkenntnisgewinn und vielen Eindrücken in das, was Beba und Wolle „die Physik, die beim Autofahren am Ende immer gewinnt wenn man’s übertreibt“, mega Spaß. Die DRK Ortsvereinigung Usingen hatte letztes Wochenende, organisiert von Bereitschaftsleiter Rolf Schmitt und finanziell von der Taunussparkasse unterstützt, mit 15 RTW-Fahrerinnen und -Fahrern Gelegenheit zu einem zweitägigen Fahrsicherheitstraining. „Ihr werdet viel Spaß haben, aber abends müde in die Falle fallen“, hatte der Chef orakelt. Und Chefs haben immer recht…
Natürlich sollte das ganze Spaß machen und „Teambuilding-Charakter“ haben, aber auch helfen helfen. Da sich die Fahrer von im Einsatz befindlichen RTW nicht immer an Tempolimits halten können und es leider immer wieder, wenn auch zum Glück noch nicht in Usingen, dabei zu Unfällen kommt, sind solche Trainings wichtig, lebenswichtig. „Ihr braucht sechs Augen, zwei für euch, zwei für den armen Kerl hinten auf der Trage und zwei für die anderen Autofahrer“, bläuen uns Beba und Wolle immer wieder ein.
Der „arme Kerl“ war ich. Erstmals in meinem Leben lag ich hinten in einem RTW, angeblich ging es mir richtig schlecht. Dennis, mein Fahrer, schnallt mich an, stellt das Kopfteil noch etwas hoch und donnert los. Ich bin die Strecke vorher schon selbst gefahren, erst mit 40, dann mit 50 und dann, voll Stoff, mit 70. Bis zu den zwei roten Hütchen und dann: Voll in die Eisen. Holla, die Waldfee. Das Bremspedal knallt aufs Bodenblech und nach 25 Metern steht die Fuhre. Bei Tempo 70 dauert es etwas länger und bei nasser Strecke noch etwas länger. Und jetzt liege ich hinten, festgezurrt gegen Verrutschen. „Es geht los“, ruft Dennis von vorne. Es wird immer lauter in meiner rasenden Krankenstube, bis er vorne „Aaach-tung!“ brüllt und auf die Bremse hackt. Es ruckelt und schuckelt, auf meinen festgetackerten Körper wirken gefühlt 5 G, aber: Alles gut, die Gurte haben gehalten, ich liege noch.
Szenenwechsel. Ab ins „Höfchen“, so nennt Beba ein verflixt kleines Karree aus roten Hütchen. „Meine Herrn, bitte vorwärts rein und mit drei Zügen wieder vorwärts raus, kein Ding, oder?“ Von wegen. Mit dem Pkw wäre das Kindergeburtstag, aber mit einem ausgewachsenen RTW? Da braucht es schon helfender, weil winkender Hände. Dennis macht den Winker. Vor, zurück, links - nein, das andere links… Noch doller das „doppelte S“, das sich hinten gemein zuzieht - eine Pylonengasse zum Haareraufen. Vorwärts geht es ja, sogar recht hurtig. Aber rückwärts? Hier kam es noch mehr darauf an, sich auf den Kollegen draußen zu verlassen. Und wenn der immer hektischer von sich aus gesehen mit beiden Armen immer schneller nach rechts fuchtelt, heißt das für mich beim Rückwärtskutschieren nach links zu kurbeln. „Sehr ihr, Jungs, hier geht es um blindes Vertrauen, Ihr müsst euch aufeinander verlassen und nonverbal kommunizieren können“, sagt Beba.
Was ein paar Kilometer mehr oder weniger auf der Uhr ausmachen, sehen wir auf der klitschnassen Kreisbahn oder, „volle Kraft voraus“, beim plötzlichen Aufspritzen der „Wasserwand“ mitten auf der Straße. Wenn die Fuhre hinten zu schwänzeln beginnt, muss man vorne gegenlenken. Und wenn’s in Richtung Acker geht, bremsen. Aber bremsen haben wir ja gelernt. Auch dass das Auto, Dank ABS, dabei noch lenkfähig bleibt. Auf der Nullebene alles kein Problem, aber zum Schluss gings mit Schmackes bei Tempo 50 abwärts in eine Kurve, an deren Scheitelpunkt eine Vollbremsung erfolgen sollte. Eine Herausforderung, selbst für Profis. Auch der sehr erfahrene Kollege Mario sagte später bei der Manöverkritik: „Das war heftig, ich würde mit dem RTW nie so schnell abwärts in eine Kurve fahren und dabei voll in die Eisen gehen…“ Dazu Beba: „…sollt Ihr ja auch nicht, aber Ihr sollt wissen, dass die Kiste im Notfall trotzdem in der Spur bleibt und nicht umkippt.“ Da war es dann wieder, das Sechsaugenprinzip: Immer so fahren, dass einem selbst, aber auch dem Patienten und den anderen Verkehrsteilnehmern nichts passiert. Und Wolle sprach ganz zum Schluss das Wort zum Sonntag: „Wir haben mit dem DRK-Kreisverband Gießen dieses Fahrsicherheitsprogramm entwickelt und die Kollegen haben festgestellt, dass die Unfälle danach deutlich gesunken, nach dem Lockdown, ohne Training, aber auch ganz schnell wieder angestiegen sind. Also üben, meine Herren, üben, üben, üben…“.
Alexander Schneider